Wo Sprache und Bauen im Bestand zusammen­kommen: Entwurf für eine Schulerweiterung

April 2025 | Altbaugespräche

Deutsch-Italienische Gesamtschule Wolfsburg: Konzeption und Planung für Umbau und Erweiterung

Freie Diplomarbeit von Maren Paetzold, entstanden im Sommersemester 2003 am Fachbereich Architektur der Universität Hannover; Prüfer waren Prof. Jörg Friedrich und Prof. Alexander Furche.

Die Schule wurde für meine Diplomarbeit im Architekturstudium in Hannover zum Thema, als ich 2003 auf ihren Raumbedarf aufmerksam wurde. Kontakte zur Schule und wertvolle Einblicke ermöglichte mir Hans Karweik, ein Wolfsburger Kulturjournalist: So konnte ich den Baubestand analysieren, den konkreten Bedarf ermitteln, ein Raumprogramm entwickeln und schließlich einen Entwurf erarbeiten, der den Bestand behutsam verändert, das Potenzial räumlicher Qualitäten hebt und fehlende Räume ergänzt.

Von der Geschichte eines Schulbaus bis zu der Frage, ob Architektur zweisprachig sein kann

Stadt Wolfsburg

Die Gründung der noch jungen Stadt Wolfsburg – als Stadt des KdF-Wagens [Kraft durch Freude] – erfolgte 1938 durch die Nationalsozialisten zur Unterbringung der Arbeitskräfte des neuen Automobilwerks. 1945 erhielt sie ihren Namen nach dem nahegelegenen Schloss Wolfsburg. Die Stadtmitte entwickelte sich entlang einer Achse vom Klieversberg zum Schloss, mit markanten Bauwerken wie dem Theater von Hans Scharoun, dem Kunstmuseum Wolfsburg von Schweger & Partner, dem Kulturzentrum von Alvar Aalto, dem Rathaus von Titus Taeschner, dem Phaeno von Zaha Hadid und der Autostadt des Büros Henn.

Stadtentwicklung in Wolfsburg entlang einer Achse
Wolfsburg: Schwarzplan der nördlichen Stadtteile, Teichbreite Volksschule XII

Die Stadtgebiete nördlich des Kanals entstanden nach dem Ausbau der Verkehrsachsen. Grundlage war der von Stadtbaurat Peter Koller 1955 entworfene Flächennutzungsplan für eine gegliederte, aufgelockerte Stadt mit eigenständigen Nachbarschaften. Der Stadtteil Teichbreite, Standort der Schule, formte sich in den Sechzigerjahren nordöstlich des Schlosses aus locker angeordneten Mehrfamilienhäusern, Punkthochhäusern und dem ersten autogerechten Einkaufszentrum (entworfen von P. Baumgarten). Die Planung sah ein Vogelschutzgebiet, Auewalderhaltung, große Grünflächen rund um einen neuen Teich sowie eine großzügige Verkehrserschließung vor, was den Charakter des Stadtteils noch heute prägt.

Bau der Volksschule XII

Ein Artikel von 1964 in „Aktuelles Wolfsburg“ lobte die neu eröffnete Volksschule als „eine der modernsten und wohl auch schönsten Schulen Wolfsburgs“. Die Volksschule XII im Stadtteil Teichbreite – heute Leonardo da Vinci Grundschule – wurde am nordöstlichen Stadtrand am Ende der Hochhauskette in moderner, offener Bauweise errichtet. Geplant vom Hochbauamt der Stadt Wolfsburg zwischen 1958 und 1964, wurde die Schule von 1963 bis 1965 gebaut und 1967 um eine Sporthalle erweitert. Verschiedene Nutzungen als Grund- und Hauptschule und später als Ganztagsschule erforderten weitere Bauphasen, darunter ein Freizeitbereich mit Mensa und zusätzliche Klassenzimmer in Leichtbauweise ab 1971.

1964: Bau der Volksschule XII in Wolfsburg-Teichbreite.

Modellprojekt: erste deutsch-italienische Gesamtschule

Während der dynamischen Wirtschaftsentwicklung in den Fünfzigerjahren benötigte das VW-Werk dringend Arbeitskräfte. Wolfsburg wuchs, zudem führte das Anwerbeabkommen mit Italien 1955 zu einem hohen Anteil italienischer Bevölkerung in Wolfsburg – heute teils in dritter Generation, was die Stadt durch einen bilingualen und bikulturellen Anteil bereichert. 2003 betrug der Anteil italienischer Schulkinder rund 7 %, doch Chancengleichheit an deutschen Schulen war wenig gegeben. Die Kinder lernten Deutsch im Kindergarten und in der Schule, während zu Hause Italienisch gesprochen wurde.
Die Deutsch-Italienische Gesamtschule (DIGS), Scuola Unitaria Italo-Tedesca, entstand 1994 und bot als erste bilinguale Schule in Deutschland Unterricht in Deutsch und Italienisch ab Klasse eins. 1999 zog die DIGS in die ehemalige Brüder-Grimm-Schule und etablierte sich als Ganztagsschule mit zweisprachigem Unterricht. Die Kinder kommen zu je einem Drittel aus italienischen, aus deutschen und aus deutsch-italienischen Familien. Die Angebotsschule für das gesamte Stadtgebiet wird durch wissenschaftliche Begleitung und Aktivitäten von Elternverein, Freundeskreis und Italienischem Kulturinstitut unterstützt.

Insieme – gemeinsam

Eine bilinguale und bikulturelle Erziehung befähigt Schülerinnen und Schüler zu bewusster Teilnahme an europäischem Leben und fördert soziale Kompetenz, da es eine positive Rückwirkung auf die Identitätsbildung hat, ethnozentrisches Denken abbaut und die Akzeptanz des Fremden anbahnt. Weiterhin erleichtert Zweisprachigkeit den Zugang zu weiteren Fremdsprachen. Wichtig für das Wolfsburger Modellprojekt ist die Zusammenarbeit von italienischen und deutschen Lehrkräften, die im Doppeltutoriat die Klassen betreuen.
Ein frühes Fremdsprachenlernen baut auf den altersgemäßen psychischen und physischen Eigenschaften des Kindes auf, wie Neugier, Bereitschaft und Fähigkeit zur Nachahmung und Artikulation, Wissbegierde und Kommunikationsbedürfnis. Es bietet dem Kind eine zusätzliche Möglichkeit, sich weiter, besser und vielseitiger zu entwickeln. Es fördert eine emotionale und persönliche Einstellung zur Fremdsprache. Es zeigen sich positive Auswirkungen auf das Lernen im Allgemeinen.

Gebäudebestand – Analyse [2003]

Die ehemalige Brüder-Grimm-Schule, unverändert von der DIGS übernommen, birgt sowohl Stärken als auch Schwächen in ihrer Nutzung:
Die nüchternen, kantigen Baukörper – zwei Riegel, eine flache Pausenhalle und eine Mensa in Würfelform – wirken eher kühl und ungemütlich. Der Schuleingang ist uneindeutig, da die zurückliegende, niedrige Pausenhalle wenig präsent ist. Die additive Anordnung mit dezentraler Erschließung erzeugt lange Wege, was die Schulgemeinschaft beeinträchtigt und den Kontakt der Lehrkräfte erschwert. Bewegungsflächen finden sich nur außerhalb der Gebäude. Die Nutzungsbereiche sind zahlreich und unglücklich verteilt: Primar- und Sekundarstufe, Pausenhalle, Freizeitbereich, Sporthalle, Fachräume, Verwaltung und Lehrerzimmer sowie Schulkindergarten und Hausmeisterwohnung.

2003: Blick vom Hochhaus auf das Schulgelände

Positiv ist die durchgängige zweiseitige Belichtung und Belüftung der Klassenräume. Der Grundschulbereich ist spannend gestaltet und gut nutzbar, auch die zugehörigen Klassengärten können reaktiviert werden. Der vor den Primarpavillons umlaufende Laubengang „filtert“ gut den Zugang zum geschützten Grundschulbereich.
Hingegen sind die Räume der Sekundarstufe sowie jene für Lehrkräfte und Verwaltung unzureichend und unzusammenhängend. Die dezentrale Erschließung im sogenannten Schustersystem erschwert Kontakte, da nur jeweils vier Klassen an einem Treppenhaus liegen; dortige Treppen und Geländer sind unzureichend. Potenzial böte sich durch Auslagerung der Treppen, sodass Flächen für Gruppenräume gewonnen würden. Die Fachräume sind gut ausgestattet, jedoch oft zu klein, schlecht belichtet, schlecht erschlossen. Musikraum und Mediothek benötigen größere Räume, zudem wäre eine Zugänglichkeit für Publikum nötig. Die Mensa ist für eine Ganztagsnutzung zu klein, es mangelt an Aufenthaltsräumen.
Die Mobilklassen aus den 70ern werden aufgegeben, die niedrige und zu kleine Pausenhalle, die unzureichende Sporthalle und der schlecht erschlossene Freizeitbereich sollen weichen. Dieser Rückbau bietet die Chance, einen schönen Teil der Schulanlage – die Primarpavillons – ins rechte Licht zu rücken.

Die einheitliche Fassadengestaltung aus rotem Klinker und flächige Wände mit wenigen, akzentuierten Öffnungen lassen das orts- und zeittypische Material gut zur Geltung kommen. Auch im Inneren gibt es geklinkerte Wände, mit einem Klinkerfries sowie einer Dinosaurier-Kletterplastik im Schulhof des Wolfsburger Bildhauers Peter Szaif. Zur Benennung in Brüder-Grimm-Schule erschuf der Wolfsburger Maler Horus Engels einen Märchen-Bilderzyklus.
Das Ensemble von Schulkindergarten und Hausmeisterwohnung ist einfach, aber ansprechend gestaltet, mit einer Pergola als wichtigem Element. Das von Helga Pape gestaltete abwaschbare Wandbild bildet eine Besonderheit im Schulkindergarten.

Die Anlage bietet interessante Ein- und Ausblicke, ist jedoch zu stark eingewachsen und benötigt Grünpflege. Der asphaltierte Pausenhof ist groß, aber eintönig. Das abfallende Gelände sollte differenziert werden, durch Überhöhung, Änderungen im Bodenbelag und neue Aufenthaltsbereiche.

Entwurf: Isometrie der Funktionsbereiche

Erweiterung und Umbau: Raumprogramm [2003]

∅   3100 m² Bestandsflächen (nach Teilabriss)
∅   3900 m² Erweiterungsbedarf

    • 700 m² Ersatz der Mobilklassen (Container), neue Klassen- und Gruppenräume
    • 400 m² Aula und Foyer
    • 400 m² größere Mensa und Aufenthaltsbereiche für Ganztagsschule
    • 300 m² größere Mediothek
    • 350 m² zentrale Verwaltungs- und Lehrkraftbereiche
    • 100 m² Musik- und Mehrzweckraum
    • 1400 m² größere Sporthalle und Vereinsräume
    • 250 m² bilinguale Kindergartengruppe

Überbauen – eingrenzen – verdichten

Die Komposition der Schulanlage soll durch gezielten Teilabriss und Rückschnitt der Vegetation wieder zur Geltung gebracht werden: die ursprünglich offene Bauweise, in der Philosophie des „modernen Bauens“ in Wolfsburg. Die Großzügigkeit des umgebenden Grünraumes kann so auch in die Anlage wirken.

Die additive Pavillonanlage im Primarbereich bleibt erhalten und dient als flexible „Klassenstube“ für die Grundschule. Dort wird das italienische Schulprinzip der moduli didattici angewendet: Je zwei Klassen eines Jahrgangs werden von drei Lehrkräften in drei Räumen gemeinsam betreut.
Die Sekundarstufe ist integrativ aufgebaut, das heißt, im bilingualen Klassenverband ist der Haupt-, Real-, Gymnasialabschluss möglich. Eine räumliche Differenzierung ermöglicht die Arbeit in Kleingruppen nach Sprache, Wahlfach und Leistung. Um die Schulgemeinschaft zu stärken, wird eine räumliche Zusammenführung mit zentralen Erschließungsflächen angestrebt, ebenso eine enge Verbindung zwischen Primar- und Sekundarbereich durch Projektarbeiten.

Um die Schulgemeinschaft zu stärken und kurze Wege zu erzielen, bedarf es einer räumlichen Zusammenfassung mit zentralen Erschließungsflächen. Für den erheblichen Neubedarf an Flächen wird somit keine weitere Addition vorgesehen, sondern der Bestand überbaut, mit einer Aufstockung um ein Stockwerk als Verdichtung innerhalb der Anlage. So kann die bisher zweigeschossige Schule auch mehr Präsenz im Stadtraum gewinnen, denn die benachbarte Wohnbebauung ist drei- und viergeschossig, das Hochhaus weist gar vierzehn Geschosse auf.

Verwaltungs- und Lehrkraftbereiche werden entkernt und zentral neu organisiert, vertikal gestapelt, mit kurzen Wegen in alle Richtungen. Aus der alten Nord-Oberlichtfassade des Traktes werden die Brüstungen herausgenommen, nur das tragende Skelett wird wie eine Filterschicht belassen. Vor den Räumen sorgt ein Atrium für Belichtung und Belüftung und schirmt die Lehrkraftbereiche ab. Die Lehrerzimmer sind kommunikative, innere Stützpunkte mit Besprechungstisch. Einzelarbeitsplätze, besonders für die Nutzung der Freistunden, befinden sich im Dachgeschoss, zusammen mit einem großen Konferenzraum.
Der große Keller des Fachklassentrakts bekommt eine bessere Belichtung und Erschließung. Im Erdgeschoss wird das Lehrerzimmer für die Primarstufe angeordnet, im Obergeschoss für die Sekundarstufe, jeweils mit Büros für die Leitung.

Die Mensa wird als schulinterner Rückzugsort im neu aufgestockten Dachgeschoss untergebracht, mit wunderbarem Ausblick auf Schulanlage und Landschaft sowie Zugang zur großen Dachfläche als Terrasse. Der offene Mensaraum steht Kindern und Erwachsenen gleichermaßen zur Verfügung; Lehrkräfte können sich aber auch in den Konferenzbereich zum Essen zurückziehen. Für Veranstaltungen kann der Mensabereich zusammen mit dem Konferenzbereich auch für schulexterne Zwecke genutzt werden.

Im Oberstufenriegel kann nach Entfernung der alten Treppen in beiden Geschossen und Wegnahme der Wand zum ehemaligen Gruppenraum jeweils ein neuer großer Gruppenraum zwischen zwei Klassen eingerichtet werden. Durch einen neuen Luftraum ergibt sich eine zusätzliche Belichtung von oben, wodurch ein introvertierter Charakter entsteht.
Die fehlenden Klassen- und Gruppenräume werden durch Aufstockung des Traktes direkt ergänzt, sodass sich kurze Wege ergeben. Dieses ist für das besondere Prinzip des Teilungsunterrichts und das Arbeiten in Kleingruppen wichtig.

Entwurf: Grundriss umgebaute Schule

Der unterrepräsentierte Musikraum wird im Schulhof neu formuliert: als kleiner Musiksaal zur Hälfte in das abfallende Gelände eingegraben und vom Keller des Fachklassentraktes aus erschlossen. Die Öffnung des Saals zum Hof erlaubt eine Nutzung des kleinen Mehrzwecksaals beispielsweise für Grundschulfeste. Das Dach des neuen Musiksaals wird mittels Holzrost begehbar, in Anlehnung an die Kletterplastik, die daneben erhalten bleibt. Die Holzfläche, die aus dem Inneren des Musiksaals heraus bis zur Sporthalle durchgeht, wird in den Asphalt des Pausenhofs eingelassen.
Die Mediothek bekommt größere, öffentlichere Räume, um u.a. dem deutsch-italienischen Kulturverein die Möglichkeit zu geben, öffentliche Lesungen zu veranstalten. Die neue Mediothek, als zentraler Lehrmittelraum, wird zur einfachen Handhabung im zentralen Riegel des Fachklassentrakts angegliedert und ist gleichzeitig – wie ein riesiger Schaukasten – vom Schulhof aus einsehbar. Zudem ist in der Mediothek ausreichend Platz für die Bibliothek, Sitzstufen laden zum Verweilen ein und können als Zuschauerraum bei Lesungen genutzt werden.
Musikraum und Mediothek sind die Bereiche, die auch stark vom Primarbereich genutzt werden, somit werden sie diesem nahe zugeordnet.
Eine neue Zweifeldsporthalle ersetzt die alte Einfachsporthalle und bietet zusammen mit dem Mehrzweckbereich Raum für Vereine. Das kleine Ensemble von Schulkindergarten und Hausmeisterwohnung kann zusammengefasst und als ausreichend großer Kindergarten wiedereröffnet werden oder, dank der unabhängigen Erschließung, einer schulexternen Nutzung dienen.

Das südliche Grundstück, nun von Mobilklassen befreit, wird frei belassen; der kürzlich gestaltete Landschaftsstreifen vor dem Oberstufenriegel bildet bereits einen Abschluss des Schulgeländes.

Bewegt – markant

In Ablösung von traditionellem Geschoss- oder Hallenbau wird eine kontinuierliche, bewegte Großform in autonomer Sprache objektübergreifend zur räumlichen Vernetzung der gesamten Schulanlage. Richtungen und Schwerpunkte der Großform ergeben sich aus Bezügen zur Umgebung und zu den Bestandsgebäuden. Ausblicke und Nutzungs-Schnittmengen werden berücksichtigt und ergeben keine einfache Addition, sondern eine Multiplikation.

Entwurf: Gebäudemodell, Südseite

Die verschiedenen Nutzungseinheiten werden nicht in fester Abfolge entlang eines Flures organisiert, sondern sind über verschiedene Wege und Ebenen erreichbar. Es ergeben sich verschiedene Bespielbarkeiten. Wert gelegt wird auf Bewegungsflächen drinnen wie draußen; zur Stimulation des Gleichgewichtssinns werden schräge Ebenen und Rampen eingesetzt, die nur kurz oder nicht notwendige Erschließung sind.
Breite Verbindungsstege und freie Flächen bieten Aufenthaltsflächen für die Pause, aber auch Raum für Projektarbeiten. Neue Räume werden in unterschiedlichen Qualitäten angeboten, um verschiedene Arbeitsmöglichkeiten und Raumstimmungen nutzen zu können.

Eine markante Eingangsseite formuliert den Zugang zur Schule. Über eine Bodenwelle betritt man das Schulgelände, eine klare „Haustür“ signalisiert Ortsfremden den Zugang und empfängt anliegend mit Sekretariat, Hausmeister, Schulleitung und zentralen Lehrkraftbereichen. Die großzügig geöffnete Fassade ermöglicht den Kindern ein selbstständiges Hindurchströmen. Die Grundschulkinder können bis zu ihrer Klasse von den Eltern gebracht werden.
Im Erdgeschoss verbindet sich die neue, zentrale Aula mit der alten Treppenhalle (Klinkerfries!), die als kleine Halle oder mit den Galerien als Bühnenbereich genutzt werden kann. Lufträume erweitern die Aula in die oberen Geschosse und bringen zusätzliches Tageslicht.

Immersion – Sprache und Bauten

An der Schule wird Zweisprachigkeit nach dem kanadischen Modell der Immersion umgesetzt: Sprache ist Kommunikationsmittel, nicht Unterrichtsgegenstand. Die Vermittlung von Sprache erfolgt im Kontext, d. h., die Sprache ist eingebunden in eine Handlung.

Der Entwurf für die Erweiterung der Schule imitiert diese Prinzipien und baut auf eine Intensivierung in neuer, bereichernder, „fremder“, spannungsvoller Sprache. In Anlehnung an das Immersionsmodell sprechen beide Bauabschnitte ausschließlich ihre eigene Sprache, stehen aber durch die Verdichtung im Dialog: In Interaktion und Kooperation von Altbau und Überbauung wird ein Teil des Bestandes verformt, gleichzeitig die Überbauung deutlich vom Altbau geformt. Durch die Verdichtung entsteht eine große Effizienz, die gut ausgestatteten, vorhandenen Räume werden mit Erschließungs- und Kommunikationsflächen versorgt, alternative Wegführungen und Verknüpfungen der Ebenen bieten vielfältige Nutzungen. Große offene und öffentliche Flächen wie auch Rückzugsbereiche entstehen.

Bestand und Erweiterung sind von unterschiedlicher, aber jeweils einheitlicher Materialität. In Anlehnung an den Bestand formuliert auch die Erweiterung keine Lochfassade, sondern hat großflächige, zusammenhängende geschlossene und geöffnete Flächen. Alt – holländischer Handstrichklinker in wildem Verband gemauert, kürzlich renovierte feingliedrige Stahlfensterfassade mit verkleideten Brüstungen. Neu – Edelstahlkassetten „in wildem Verband“, feingliedrige geschosshohe bis gebäudehohe Stahlverbund-Pfostenfassade.

Tragkonstruktion und Fassade

Die Schule erhält eine großzügig „aufgeschnittene“ Fassade. Eine filigrane, vertikal gegliederte Glasfront öffnet die Schule zur Außenwelt. Die Fassade ist tragend, im engmaschigen Raster von 1,50 Meter; schlanke kammerbetonierte Rechteckstahlprofile mit nur 10 mm Ansichtsbreite, je nach Belastung bis 500 mm Tiefe, mit horizontal gefügten Gläsern, außen bündig mittels Silikon. Bereiche in Wand- und Dachverglasung, die Sonnenschutz fordern, sind mit bedruckten Gläsern versehen. Dort, wo Türen benötigt werden, werden statt der Festverglasungen Glastürelemente im gleichen Raster eingesetzt. Verbindungsbrücken können dank des Tragrasters schlank ausgeführt werden. Stahlverbundträger, in die Brücken einbetoniert, schaffen eine strukturierte Untersicht.
Die Überbauung wird an Wand, Dach und Untersichten von einer leichten Edelstahlhülle umschlossen. Die stabilen Bleche, nach innen gekantet, außen bündig, passen sich durch unterschiedliche Größen der Form an. Vor Kernen können die Bleche perforiert sein, um eine natürliche Lüftung zu ermöglichen bei gleichzeitigem Sichtschutz. Durch die Eigenschaft des Metalls, Farben und Licht zu reflektieren, schimmert die Fassade in der grünen Umgebung je nach Blickwinkel grünlich. Die Kleinteiligkeit der Kassetten vermeidet eine störende Blendung bei Sonnenschein.

Der Musiksaal wird von einem Betonfaltwerk überdacht, das sich aus dem Boden heraus öffnet. Die nichttragende Fassade besteht aus großen Glasscheiben, die etwas eingerückt profillos oben und unten gehalten sind. Über Schiebeelemente kann die Fassade zum Hof geöffnet werden.

Innenraum­gestaltung

Die Schichtung der Materialien wird an Schnittkanten sichtbar. Der tragende Beton wird innen mit Sperrholzplatten ausgekleidet. In Klassenräumen und je nach Anforderung an Akustik und Farbton der Oberflächen werden weiße oder farbige Akustikplatten an Wand und Decke aufgedoppelt.

Die gute akustische Gestaltung der Schule ist sehr wichtig, besonders für das fremdsprachliche Verstehen. Geringe Nachhallzeiten in Klassenräumen mindern Umgebungsgeräusche und verbessern die Sprachverständlichkeit, d. h. eine richtige Anordnung von absorbierenden und reflektierenden Materialien ist unabdingbar. Die Räume im Altbau können mit Akustikplatten nachgebessert werden.

Ausstellung [2004]

Die Diplomarbeit wurde in den Räumlichkeiten des Wolfsburger Istituto Italiano di Cultura ausgestellt. Die Wolfsburger Zeitung berichtete am 20. Februar 2004: „Der Traum von einem neuen Schulgebäude. Exposition von Maren Paetzolds Entwurf für erweiterte Deutsch-Italienische Schule“

Ausstellung im Istituto Italiano di Cultura [Wolfsburger Zeitung, 20. Februar 2004]

Wer schreibt hier?

Maren Paetzold
Maren Paetzold

Architektur & Sprache

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Der Gebäudebestand erzählt uns viele Geschichten – und sollte fortgeschrieben werden. Hier kommen Bauten und Projekte zu Wort.

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