Pizza romana: Die „Arte bianca“ auf römische Art

März 2023 | Der Geschmack der Wörter

An Rom sattsehen? Niemals, aber satt werden dank römischer Küche!

Überall in der Stadt bekommt man sie, und zwar in bester Qualität: die Pizza bianca, knusprig, saftig und aromatisch.
Eine Pizza ohne weiteren Belag („in bianco“, wörtlich: weiße Pizza), die den Namen Pizza auch verdient, ist in Mittelitalien eine Selbstverständlichkeit. Fernab Italiens ist es mir ein großer Trost, die so einfache wie gute Pizza romana im Haushaltsofen backen zu können: Dank der Teilnahme an einem Pizzabackkurs in Rom bin ich gewappnet und möchte dieses knusprig-duftende Glück hier teilen.

Was braucht es für eine gute Pizza?

Nur Mehl, Wasser, Salz und einen Krümel frischer Hefe – und natürlich Zeit, mindestens 24 Stunden. Man gönnt dem Pizzateig viel Reifezeit und eine pfiffige Knettechnik.

Dazu liefere ich hier: Tipps für gute Zutaten und ein bewährtes Rezept vom italienischen Chef Matteo Ferroni.
Sie sollten im Haushalt haben:

  • eine ausreichend große Schüssel, die mit einem Deckel zu verschließen ist,
  • eine Küchenwaage sowie eine digitale Feinwaage,
  • ein Backofen, der (ohne Umluft) 250 Grad erreicht,
  • idealerweise ein Backstein / Pizzastein, der für eine gleichmäßige Verteilung der Hitze sorgt,
  • etwas Backpapier,
  • ein Holzschieber für einfaches Handling
  • und gute Backhandschuhe, damit der heiße Ofen nicht zum Schrecken wird.

Die Teigeigenschaften sind in erster Linie vom Mehl abhängig – genauer gesagt vom Klebereiweiß

Für eine Pizza, die gleichermaßen schön aufgeht und knusprig wird, braucht es eine gut ausgebildete, elastische Teigstruktur: Das erfordert ausreichend Klebereiweiß im Weizenmehl, das während der Verarbeitung verquillt, viel Wasser aufnehmen kann und beim Kneten ein stabiles Klebergerüst aus den Eiweißbausteinen Gliadin und Glutenin bildet.
Stichwort ist hier das sogenannte backstarke Mehl, das sich für langzeitgeführte Teige eignet. Klingt einfach, nur wo erhält man backstarkes Mehl und was heißt das eigentlich?

Von backstark zu halbstark: das richtige Mehl für Pizza

Eine zitierfähige Definition von backstarkem Mehl konnte ich nicht auffinden. Offenbar ist „backstark“ kein definierter Begriff, sondern eine eher vage Beschreibung.

Mit zwei Kniffen lässt sich ermitteln, ob ein Mehl ausreichend backstark ist:

  1. Eine Pflichtangabe ist der Eiweißgehalt: Der variiert und sollte für unsere Zwecke bei mindestens 12 % liegen, besser noch bei 13 % oder 14 %. Mehl enthält zwar mehrere Eiweißarten, nicht nur Klebereiweiß, der Gesamt-Eiweißgehalt ist aber immerhin ein guter Indikator.
  2. Mit einer kleinen Menge lässt sich darüber hinaus testen, wie viel Wasser das Mehl absorbieren kann. Das hat keinerlei wissenschaftlichen Anspruch, die Quellfähigkeit gibt aber Aufschluss über das zu erwartende Backvolumen. Ziel für dieses Pizzarezept ist es, auf die Mehlmenge gerechnet rund 75 % Wasser zu binden.

In meinem kleinen Küchentest wurde bei allen vier Mehlen eine Wassermenge von 75 % problemlos absorbiert, es formten sich recht straffe kleine Teiglinge. Von links nach rechts zeigte sich, wie erwartet, eine leicht ansteigende Absorptionsfähigkeit: Weizen 550, Weizen 1050, Caputo Pizzeria, Caputo Manitoba

Einfacher wäre es natürlich, sich schon beim Mehlkauf auf genaue Angaben stützen zu können. Da die Klebereiweiße nicht wasserlöslich sind, sich aber durch eine recht hohe Wasseraufnahme auszeichnen, kommt hier der W-Wert ins Spiel: Der Wasseraufnahmekoeffizient gibt an, wie viel Wasser ein Stoff in einer bestimmten Zeit aufnimmt. Nur ist dieser Wert auf keiner Mehltüte abgedruckt und nur die wenigsten Mehlmühlen geben ihn für ihre Produkte bekannt.

Für italienische Mehle wird für die Kategorie „backstark“ (auf Italienisch: farina forte) ein W-Wert von rund 280 bis 350 aufgerufen, das heißt, eine Wasseraufnahmekapazität von rund 65 bis 75 %.

Zweitrangig hingegen ist der Mineralstoffgehalt, der in Deutschland über die Mehltype definiert ist. Beobachten lässt sich jedoch, dass der Eiweißgehalt von Type zu Type generell steigt: Weizenmehl 405 enthält meist 10 % Eiweiß, 550er schon 11 %. Ich verwende für dieses Pizzarezept gern Weizenmehl Typ 1050 in Bioqualität und mit einem Eiweißgehalt von mind. 12 %. Um die Geschmacksnoten abzurunden, füge ich einen Löffel Weizenvollkornmehl ein.

Bei Anbietern italienischer Produkte findet man Pizzamehl und das wirklich backstarke „Manitoba“-Mehl (z.B. von der Mühle Caputo mit 14,24 % Eiweiß und einem W-Wert von 360/380, das 100 % Flüssigkeit aufnehmen kann). Diese starken Mehle kann man gut mit einem klassischen 550er-Weizenmehl mischen.

Ein weiterer Tipp: Etwas älteres Mehl ist backstärker, sehr frisch gemahlenes Mehl daher nicht empfehlenswert.

Auf die Goldwaage: die richtigen Mengen

Hefeteige habe ich immer sehr gern gegessen. Kennengelernt habe ich Rezepte mit Hefe in einem Verhältnis von einem Würfel Hefe (42 g) auf 500 g Mehl. Das ist auch heute noch ein Klassiker – für einen kurzen Prozess.
Ich staune noch immer, wenn ich heutzutage 1,5 g Hefe auf 500 g Mehl verwende. Nicht, weil ich dieser homöopathischen Menge nicht trauen würde, sondern weil es mir im Rückblick ein Rätsel ist, was man mit so viel Hefe im Teig will. Denn die große Menge Hefe dominiert natürlich am Ende den Geschmack, und wahrlich nicht zum Vorteil.

Sauerteig oder Hefe?

Auf Hefe ganz verzichten und einen Weizensauerteig als Backtriebmittel nutzen? Das ist natürlich möglich. Auch Sauerteige enthalten einen Anteil Hefen. Geschmacklich macht es durchaus einen Unterschied: Der leicht säuerliche Grundton, typisch und unbedingt erwünscht in herzhaften Sauerteigbroten, käme jedoch einer Pizza nicht in jedem Fall zugute. Bei der hier verwendeten sehr geringen Hefemenge von maximal 1 %, bezogen auf die Mehlmenge, schmeckt keine Hefenote vor. Backhefe besteht aus Pilzen und tut auch in dieser so kleinen Menge dank des langzeitgeführten Teiges genau das, was sie soll: Sie produziert Kohlenstoffdioxid und lockert so den Teig.

Rezept: Pizza bianca im heimischen Backofen

Es ist für mich beglückend, das Rezept von Matteo Ferroni zuhause nachzubacken: In Rom konnte ich an einem Backkurs von Matteo teilnehmen. Er ist Koch und Inhaber einer Kochschule. Er nannte uns nicht nur die Mengen, sondern vermittelte auch die Technik und die passende Zeiteinteilung. Dank seiner freundlichen Genehmigung darf ich hier sein italienisches Rezept auf Deutsch beschreiben.

Ich knete wie im Kurs den Teig immer per Hand. So hat man stets einen direkten Eindruck davon, wie sich die Teigstruktur entwickelt.

Am Vortag, um 17 Uhr:
Ein erster Teigansatz als Vorstufe, was auf Italienisch als „primo impasto“ bezeichnet wird.

Man nehme – diese Menge reicht für zwei große Pizzen (à 500 g), 2–3 Personen:

  • 600 g Mehl (W-Wert ca. 300)
  • 450 g Wasser (70 bis max. 75 % der Mehlmenge)

In einer großzügigen Schüssel das Mehl rasch mit dem Wasser vermengen, und zwar nur so lange, bis ein homogener Teig entsteht. Mit anderen Worten: Das Mehl soll vollständig mit Wasser benetzt sein. Dieser erste Teigansatz wird in der verschlossenen Schüssel 20–30 Minuten für die Autolyse stehen gelassen.

Um 17:30 Uhr geht es dann weiter mit der zweiten Teigstufe, dem „secondo impasto“.

Dem Teigansatz wird eine winzige Menge Hefe hinzugefügt. Frischer Bio-Hefe ist mit Blick auf Aromen und Backtrieb der Vorzug zu geben; bei Rückgriff auf Trockenhefe ist die Hefemenge auf 1/3 zu reduzieren.

  • 1,8 g Frischhefe (0,3 % bis max. 1 % der Mehlmenge)
    Die zerkleinerten Hefestückchen werden rund 5 Minuten lang untergeknetet.

Damit eine gute Teigstruktur entsteht, kommt ab hier die Knettechnik zum Tragen: Mit einer Hand hält man die Schüssel fest, mit der anderen zieht man den Teig rundherum in die Länge, faltet ihn über die Teigmitte und drückt mit den Fingerknöcheln den Teig zu einem Ballen zusammen. So arbeitet man in Kreisform zügig weiter. Anfangs ist der Teig noch recht undefiniert, nach und nach formt er sich zu einer Kugel und löst sich etwas von der Schüssel.

Technik und Handgriffe: Wie knetet man einen Pizzateig?

Hilfreich ist hier das Video von Matteo Ferroni: Selbst wer des Italienischen nicht mächtig ist, kann sich die Handgriffe abschauen: Ricetta pizza bianca romana fatta a mano lunga lievitazione

Youtube-Kanal von Matteo auf Italienisch
Youtube-Kanal von Matteo auf Englisch 

Weiter geht es mit den nächsten Zutaten:

  • 18 g Salz (2–3 % der Mehlmenge)
    Ein paar Minuten lang das Salz unterkneten.
  • 6 g Zucker (1–2 % der Mehlmenge), alternativ Honig
    Auch den Zucker ein paar Minuten lang unterkneten. Inzwischen nimmt der Teig mehr Form an, wird kompakter und löst sich fast von der Schüssel.
  • 24 g Olivenöl (4 % der Mehlmenge)
    Um das Öl unterzukneten, braucht es nochmals einige Knetrunden – bis kein öliger Film mehr übrigbleibt.

Ab jetzt wird es sehr einfach: Der Teig darf insgesamt 3 Stunden bei Raumtemperatur ruhen, wird jedoch nach jeweils 60 Minuten gedehnt und gefaltet, insgesamt also dreimal. Das macht nur wenig Aufwand und lässt sich auf dem Tisch, aber auch in der (ausreichend großen) Schüssel erledigen. So wird der Teig immer kompakter und geschmeidiger. Es empfiehlt sich, die Schüssel vor der Teigruhe etwas zu ölen, damit die Entnahme einfacher ist.
Wie geht dieses Ziehen und Falten? Auch hier hilft ein Blick auf die Handgriffe des Chefkochs.

Anschließend, gegen 21 Uhr, nach dem letzten Ziehen und Falten, kommt die verschlossene Schüssel in den Kühlschrank. Hier verbleibt der Teig bis zum nächsten Morgen, also rund 12 Stunden. Bei den niedrigen Temperaturen laufen die Reifeprozesse nur ganz langsam ab. Daher kann die Verweildauer im Kühlschrank auch auf bis zu 40 Stunden gedehnt werden, falls die Pizza erst am übernächsten Tag gebacken werden soll.

Am Backtag wird der Teig um 9 Uhr morgens aus dem Kühlschrank geholt. Per Ziehen und Falten wird das Teiggerüst weiter aufgebaut. Es folgt eine dreistündige Teigruhe bei Zimmertemperatur.

Eine letzte Runde Ziehen und Falten folgt um 12 Uhr. Anschließend darf der Teig wiederum 4 Stunden ruhen.

Um 16 Uhr erfolgt die Aufteilung des Teiges in die gewünschten Pizzastücke, je nach Größe des Pizzasteins: Empfehlenswert sind gleich große Stücke, um auch die Backzeit einheitlich zu halten. Per Ziehen und Falten werden die Stücke in eine länglich-kompakte Form gebracht.
Diese panetti dürfen mit einem Tuch oder einer umgestülpten Schale bedeckt, je nach Umgebungstemperatur, noch 2 bis 4 Stunden reifen: Sie sollten etwa dreifaches Volumen erreichen.

Endlich wird gebacken:

Bitte die Vorwärmzeit des Ofens einplanen. Es braucht tatsächlich 250 Grad! Und das schafft auch ein Haushaltsofen.

Kurz vor dem Backen wird Klavier gespielt: Man nimmt ein vorbereitetes Teigstück auf eine gut bemehlte Fläche und drückt es mit den zehn Fingerspitzen in eine längliche Pizzaform. Falls es klebt, die Fingerspitzen einfach in etwas Olivenöl tauchen.
Die geformte Pizza wird kurz über den Handrücken gelegt, von überschüssigem Mehl befreit und auf einem Backpapier platziert. Hier lässt sich die Form noch etwas anpassen. Jetzt folgt das condimento: etwas Olivenöl, Salz und Rosmarin. Und ab in den Ofen! Es ist unbedingt zu empfehlen, die Pizza so als klassische pizza bianca zu kosten.
Gut machen sich auch etwas Tomatensoße, Mozzarella oder was das Herz begehrt …

Die Backzeit variiert je nach Pizzagröße und Belagmenge:
5–10 Minuten auf unterster Schiene auf dem Backstein, dann noch 2–5 Minuten auf einem Blech auf oberster Schiene zum Bräunen.

 

Buon appetito!

Wer schreibt hier?

Maren Paetzold
Maren Paetzold

Architektur & Sprache

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Wörter, die im Munde zergehen. Überlieferungen aus Italiens Küchen.

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